napoli by night

ich stehe an der straßenecke noch vor dem club, warte auf irgendetwas und denke dabei darüber nach, worauf eigentlich. "napoli by night" singt er, während er sich eine zigarette dreht, sich neben mich stellt und direkt anfängt, mir die vorzüge des nachtlebens von neapel zu erklären. vor zwanzig jahren war er dort, und "jetzt gerade" wieder, also vor ungefähr einem jahr. positive und/oder intensive eindrücke wirken natürlich länger nach, in der eigenempfindung, stimme ich ihm zu. neapel hat offenbar gegenden, in die man nachts besser nicht gehen sollte ("genau wie berlin"), aber auch clubs und momente und menschen (artefakte, gewissermaßen, ergänze ich im kopf), für die sich eine reise in die stadt sehr lohnt ("genau wie berlin"). das nachtleben in neapel findet er trotzdem spannender als das hiesige, denn noch nie zuvor hat er mal so durchgemacht, daß er fast 48 stunden lang ununterbrochen von einer "location" in die nächste gestolpert sei und so "mitgerissen" war von allem. er sagte wirklich "mitgerissen", und spätestens jetzt hatte er mich.

ob ich die band kenne, die hier heute abend spielt, fragt er. ja, die kenne ich einigermaßen, und er fragt nach einer beschreibung oder vergleichen mit anderen bands, denn er kennt sie nicht, kann sich dann aber mit meiner beschreibung halbwegs etwas darunter vorstellen und stimmt zu, daß das "eigentlich ganz interessant" klingt. meine beschreibung, nehme ich an, nicht die musik. die kennt er ja noch nicht. ob er auch eine karte habe, frage ich. nein, die kann und will er sich nicht leisten, denn er muß sparen für napoli (außerdem ist das konzert ausverkauft, aber ich ahne, daß das entweder sarkastisch oder zumindest verlegen gemeint sein könnte). und meine beschreibung genügt ihm ja auch eigentlich schon. schließlich hat er ja auch noch "zu tun".

als ein konkurrent auftaucht und ihm eine rumstehende leere bierflasche wegschnappt, die er offenbar übersehen hatte, ist er so schnell weg, wie er vorhin gekommen war. "hey, mein revier!" steht ihm ins gesicht geschrieben, als er sich wieder den pfandflaschen der herumstehenden indiekids widmet und mir noch kurz einen schönen abend wünscht. in seinem rucksack hört man einen kleinen bruchteil seines zukünftigen zugtickets klirren, und während des auftritts von maximo park irgendwann später fällt mir auf, daß ich noch nie in neapel war.

in der gleichzeitigkeit von handlungen findet sich dieses /urbane/ wieder, das einen entweder vollkommen umhaut (kapitulation) oder vollkommen begeistert (staunen), wenn man es irgendwann be-greift. wenn man nämlich nicht einfach nur notiz davon nimmt, sondern es /spürt/ (-- genau wie man auch beim flanieren das aus-schweifen eines blicks üben kann, nämlich indem man seine umgebung aus anderer/un-eigener sicht versucht wahrzunehmen, zu erkennen), müßte man zwangsläufig in eines dieser manischen lachen verfallen, bei dem umstehende nie wissen, ob sie sich jetzt sorgen machen oder dich umarmen sollen: dabei ist der kontakt zur welt, die verbindung zu allem, in diesen momenten doch sowieso schon maximal.

(naja, oder anders, unangebrachter formuliert: ich mag berlin. immer noch.)

he was completely blown away (er war völlig durch den wind).

das spunkkrachlexikon

das spunkkrachlexikon - vom, zum und über das hören, von frieder butzmann, ..

.. ist wie der name sagt, ein lexikon. es will das phänomen "hören" als, physiologisches, psychologisches, musikalisches, akustisches, soziales und philosophisches ereignis und im sinne der hörökologie beschreiben und zu gehör bringen.

-- die web- bzw. (kind-of-)wiki-version des gleichnamigen hörspiels.

(und erwähnte ich hier schon mal, daß auftritte jenes herrn ein ganz wunderbares und inspirierendes und amüsantes und interessantes erlebnis sind? nein? dann jetzt. auftritte jenes herrn sind ein ganz wunderbares und inspirierendes und amüsantes und interessantes erlebnis.)

(möglichkeiten)

das gefühl, durch -bspw.- eine e-mail das leben eines anderen menschen zumindest minimal beeinflußt zu haben -- die vorstellung, daß und wie jener mensch diese mail liest (file under "verlaufsform"), sie empfindet, damit umgeht, darauf reagiert, .. -- das macht diesen ganzen modernen kram ja manchmal fast wärmer und angenehmer, weil insgesamt unberechenbarer und weit-räumiger. dem leben /potential/ hinzufügen (aka "aufladen").

gegen halb drei heute nacht dann den entschluß gefaßt, demnächst (also in einem der zahlreichen bisher noch nicht inhaltlich verplanten nächsten leben) dringend mal eine latent kulturwissenschaftliche untersuchung mit dem titel "ironie und retro-phänomene in zeitgenössischer pop- und clubkultur" anfertigen zu müssen: mit bezugnahme auf dj-sets (coverversionen, remixe, übergänge, software, coolness/gesichtsausdruck beim auflegen, ..), club-einrichtungen (livevisuals, bar- und sitzmöbel-anmutung, optik der türsteher/bouncer, ..), nachtleben-kleidung (berlin-mitte, taxifahrerjacken und brillendesigns) sowie meme und "meta-optik" (wasted german youth, promiskuitätsversprechen und dönerbudenschilder).
noch vor der niederschrift erster erkenntnisse dann aber auf der tanzfläche angerempelt worden, daraufhin schlüssige gedanken und argumentationsketten vergessen und den rest des abends lieber wieder darüber aufgeregt, daß es auch 2007 immer noch menschen gibt, die zigaretten rauchen.

love & death -- und das, was weiterhin verlorengeht in dieser technifixierten welt, ist das intuitive, spontane und affektive der kommunikation: das hörer-auf-die-gabel-knallen, das sich-anbrüllen, das sachen-sagen die einem später leid tun.
statt dessen nur noch leise tastendrücke auf rotgefärbte hörersymbole und wohlformulierte emails und kurznachrichten, teilweise mit business-disclaimer als signatur. durch den kompressor gejagte empfindungen, abgeschwächt und angegleicht, gefühlsregungen nur noch in nuancen wahrnehmbar. wimmern statt flennen, lächeln statt freuen.
(türen-zuknallen hat so eine ganz eigene art von /effizienz/, die man 2007 fast nicht mehr hinbekommt. außer mit türen-zuknallen, klar. aber wer macht sowas heute schon noch?)

das in magazinform gegossene pendant zu dem gefühl, das sich beim hören von formatradio einstellt, heißt übrigens "neon".

und so choreographieren wir uns munter durch den tag.

"ich köchte mir einen kaffee, falls ich aufwuch."

(darf ich vorstellen? der plusquamjunktiv. zu betonen auf dem a, übrigens.)

(sprache in erregung.)

and if we go someplace to dance, ..

den kontakt zur welt (an der du krankst) erhältst du dir, indem du beginnst, außenwirkung (also selbstzweifel) und stil (also understatement) auseinanderzuhalten, und für beides nicht mehr den begriff "coolness" zu verwenden, was ja nur im - auf allen ebenen - /nüchternen/ zustand funktioniert, paradoxerweis'.
mit steigendem iq (also sinkender besoffenheit; und ich ahne, daß ein weiteres von mir noch nicht genauer benennbares attribut großen bock auf einen intellektuellen dreier mit diesen beiden hätte) nennt man "unzufriedenheit" ja irgendwann schließlich auch "traurigkeit", und noch später weiter dann "schwermut".

.. i know that there's a chance you won't be leaving with me.

(file under "die 120 minuten von nachtleben: höllenkreis der melancholie".)

diese geradezu nett-harmlose art von /macht/, die kleine kinder beim warten an einer roten ampel haben: zig erwachsene drumherum, die es eigentlich aus fadenscheinigen gründen eilig hätten, aber diesen gerade für einen der letzten momente (für eine der letzten möglichkeiten) in ihrem leben halten, wo sie ihre gute erziehung zeigen (können, dürfen) und dann eben doch brav auf grün warten, obwohl bei klarster sicht bis zum horizont nicht einmal die illusion eines autos naht.
(leichte eingebildete gänsehaut dann spätestens, wenn man vom gegenüberliegenden bürgersteig -den text über all jenes schonmal im kopf vorformulierend- im gesicht, im blick, im lächeln des wartenden kindes genau dieses /wissen/ über die gesamte situation ablesen kann und sich für dreieinhalb millisekunden wie der verbündete große bruder fühlt.)