fortschritt und fortschreiten

"zur medienkompetenz gehört aber auch die kunst des ignorierens und abschaltens, die fähigkeit zum medienwechsel, also die beherrschung von kontaktaufnahme, kontaktverweigerung (…) - die entwicklung von filterfähigkeit, medialer skepsis und kluger zeitökonomie. man kann es lernen, sich einen 'virtuellen mediamix' zurechtzulegen und mit fernsehen, recorder, telefon, pc, aber eben auch mit zeitungen, zeitschriften, büchern oder comics emanzipiert umzugehen.

(…)

da sitzen sie, auf ihren jogamatten; atmen ätherische düfte ein und werden plötzlich sensibel und empfindsam … wie die romantiker, deren scheinbar lächerliches verhalten heute als widerstand erklärbar wird: als kontrapunkt zur aufklärung; als verweigerte anpassung an ein leben, das nur noch vernunftgemäß sein sollte, nur noch ziel und zweckgerichtet, effizient und (…) - aber man muss zur ruhe kommen. man muss sich selbst wieder spüren, um wieder zu lernen, menschlich zu sein … um mithalten zu können und gut zu funktionieren, muss man vor allem kühl bleiben, sich abschotten, dicht machen. man muss wieder sensibel werden; sich anrühren und betreffen lassen … um unterscheiden zu können, was richtig und was falsch ist … um sich moralisch zu verhalten. um das richtige zu tun.

aus: "wenn die seele nicht mehr schritt halten kann - fortschritt und fortschreiten der technik" von angelika brauer. manuskript zur sendung.

konsequent

"kennt ihr zwei euch eigentlich bereits?"
"nein, ich glaube nicht."
"hmm. seltsam."

sprach's und verschwand.

ach ja, stuttgart.

stuttgart. zum zweiten mal in meinem leben bei vollem bewußtsein in stuttgart gewesen, offenbar bisher nicht viel verpaßt. samstag hätte ich die möglichkeit dazu gehabt, aber, hey, ich war ja da! enttäuschende besucherzahl, inhaltlich umso schicker (der komparativ da vorn stört mich nun zwar ein wenig, aber --).
festgestellt, daß ich mir weblogger erschreckend oft ganz genau so vorstelle, wie sie dann auch in wirklichkeit sind. insgesamt dann doch teilweise positiv, teilweise negativ, größtenteils aber nicht mal so richtig überrascht gewesen. statt dessen zuviel über raum-namen in bayrischen kneipen, sich prügelnde kellnerinnen und vor allem über meine außenwirkung nachgedacht (anstatt mal selbst eine zu erzeugen) - aus unangebrachter demut schüchternheit denkschleife nicht hinreichend schnell rausgekommen und die blogger-halbgötter lieber den ganzen abend angestarrt und aus versehen in höflichkeitslächen verfallen anstatt … naja.
"eingegrenzt".
gegen halb drei auf der heimfahrt den beschluß gefaßt, markanter werden zu wollen, den beschluß am nächsten morgen aber wieder vergessen gehabt. manchmal wäre ich ja gern unkomplizierter. ja, nächstes mal dann, wenn ich das mit der akklimatisierung besser im griff habe.

"gerne wieder!"

[ kontext: 1 · 2 · 3 · 4 · 5 ]

carpe diem

er ist wegen ihr hier (grund), sie wegen ihm (zweck). ein bißchen verloren stehen sie im vorderen drittel des publikums und tun so, als wollten sie beide die band erleben. sie hat jahrelang auf ihren traumprinz gewartet, der sie aus ihrer misere herausholt, weil sie sich nicht eingestehen will, daß sie es ja auch selbst könnte, den arsch hochbekommen, ihr leben verbessern, sondern sich sagt, daß äußere umstände und die ganze situation und du weißt ja gar nicht wie das ist und und und aber der traumprinz kam offenbar nie und jetzt steht sie hier bei einem konzert, das sie eigentlich überhaupt nicht interessiert, mit ihm, der sie intrinsisch-gezwungenermaßen interessiert und den sie dabei versucht so subtil wie es ihr möglich ist (kaum) auszufragen, um seine antworten dann so zurechtzulegen, daß man ihm vielleicht doch noch das traumprinzkostüm überstülpen könnte, in der hoffnung, daß sich ihr eigenes unterbewußtsein genug täuschen läßt. sie weiß all das, aber sie will es nicht wahrhaben. wenn sie es wahrhaben wollte, wäre sie nicht hier. er bildet sich ein, sie sei wegen ihm hier, oder wegen der musik, aber das ist ja fast das gleiche, schließlich identifiziert er sich mit der musik (das alter!), aber heute ist sie (die band) ihm ausnahmsweise egal, denn sie (die frau) steht schräg vor ihm und schaut gelangweilt (chance!, nicht enttäuschung!), er macht sich schon mit seiner körperhaltung gegenüber ihr zum vollidioten, aber auch das merken nur außenstehende, und sie vielleicht unterbewußt, und sein latent schmachtender blick verrät alles über diese beiden. sie stehen da, schauen ungefähr in richtung bühne, wirken deplaziert, fühlen sich wahrscheinlich auch beide so, und das schlimme ist, daß man ihnen als außenstehender ein jahr gibt, maximal, in dem er sich für sie zum affen macht und sie seine art sie zu lieben als selbstsüchtig interpretieren wird und er keinen ratschlag, den er anderen geben würde, selbst beherzigen wird, schließlich liebt er sie (glaubt er) und sie ihn (hofft er) und das wird auch in einem jahr noch so sein (daß er es hofft). nach spätestens einem jahr der große zoff (nach einem knapp ein jahr anhaltenden kleinen), trennung mit schmerzen, weil beide sich selbst mißverstanden hatten, seit sie sich kannten, dann vielleicht der berühmte zweite versuch, vielleicht doch nochmal ein versöhnungsfick, nur noch tränen in den augen, weil beide sich selbst dabei schon nicht mehr sehen wollen, aber immer noch zu verhirnt sind, um endlich aufzuwachen. deutung, endlich, dann trennung aus selbstschutz, schließlich, mindestens ein weiteres jahr der jeweiligen selbstfindung, in der die straßenseite gewechselt werden muß, wenn man dem ex-partner begegnet, keine aussicht auf besserung, lebenslange latente ekelgefühle nur bei der nennung des namens des damaligen partners, "wie konnte ich nur?"-gedanken gemischt mit "aber .." (und genau nach diesem "aber" hacken sie sich die entsprechende stelle im hirn ab, bis sie nicht mehr dran denken können). erwachsenwerden mit dreißig. und man steht nur zwei meter daneben und man ist hingerissen und schockiert, daß man all das schon nach sekunden erkennt, an blicken, körperhaltung, setting. wenn die beiden sich nur endlich sehen könnten. man möchte hingehen und genau das alles den beiden erklären, ruft sich zur ordnung bzw erinnert sich an seine gute erziehung, fragt sich, ob es nicht noch bessere erziehung wäre, den beiden ein emotional befriedigenderes jahr zu ermöglichen als dasjenige, das sie erwartet, man schwankt zwischen mitgefühl (viel), mitleid (auch) und hoffnung (wenig). dann nippt man an seiner cola und nimmt sich vor, die klappe zu halten. sie wollen's ja nicht anders.

in love

darüber nachgedacht, ob das auswahlkriterium "er war vernünftig und hat gute ansichten gehabt", das die ältere dame bei "nur die liebe zählt" vorhin auf die frage, wieso sie sich damals für ihren jetzigen mann entschieden habe, antwortete, eher einem heutigen "er hat einen knackarsch und ne geile karre" entspricht oder schon damals so charmant intelligent klang. beschließe, letzteres anzunehmen, um mich an der immens großen lücke zwischen "glaube an die menschheit für wenige sekunden wiedererlangt" und "sat1" gleich nochmal zu erfreuen.

beschlossen, am nächstmöglichen verregneten sonntag aus "when harry met sally" die interview-szenen raus- und hintereinanderzuschneiden.

anfixen

vor kurzem im "sat1-automagazin": vorstellung des mclaren slr, direkt danach gewinnspiel, hauptpreis ein fiat punto. ja, sat1. passend für die zielgruppe, die sich über gratis-duftbäumchen oder parkhausbeschallung mit songs von bryan adams freut. genau so funktioniert das.

sehr geehrte trailer-texter von sat1.

die "kategorie 'model'" existiert in der upcoming zweiten staffel von starsearch sicher nicht "erstmals auch für männer". bereits in der ersten staffel tat sie das nämlich fast ausschließlich "für männer". sagt bloß, das hättet ihr nicht bemerkt gehabt?

nichts zu danken,
gez. ich

"genau so war das."

wir dachten uns spiele aus mit holzstöcken und tennisbällen. außerdem aßen wir würmer. und die prophezeiungen trafen nicht ein: die würmer lebten nicht in unseren mägen für immer weiter und mit den stöcken stachen wir nicht besonders viele augen aus.

beim straßenfußball durfte nur mitmachen, wer gut war. wer nicht gut war, mußte lernen, mit enttäuschungen klarzukommen.

manche schüler waren nicht so schlau wie andere. sie rasselten durch prüfungen und wiederholten klassen. das führte nicht zu emotionalen elternabenden oder gar zur änderung der leistungsbewertung. (…)

mehr: hier.

zur lage der nation.

vorübergehender formschinken. ungewohntes gefühl, ausnahmsweise täglich und andauernd dinge für die uni zu tun. quasi-freiwilligkeit. keine entschuldigung, eher eine erklärung. das hirn oszilliert zwischen angewandt/nützlicher und absolut sinnloser denke. entweder unikram oder extrembanalitäten. schlechtes gewissen wegen einer dämlichen webseite, wenig schlaf (und wenn, dann zu seltsamen uhrzeiten).

"kannst du morgen ausschlafen?"
"nein, hab' mir den wecker gestellt."
"weswegen?"
"da kommt eine sendung über schlafstörungen im radio."

freitag bei gina wild michaela schaffrath in erfurt gewesen. sie - irgendwo zwischen belanglos und nett, nicht weiter wild, stellenweise erschreckend überraschend sympathisch. das publikum - unter aller sau. kegelclubs auf betriebsausflug, übergewichtige mittfünfziger, schreckliche sexshop-autogrammstunden-atmosphäre während des gesamten programms, schnauzbartträger. zwischenrufe mit schwanzgrößen-angaben, goldkettchen überall, und dann noch die paar jugendlichen coupé-abonnenten mit oberlippenflaum, die sich wahrscheinlich eine post-show gang-bang auf der bühne erhofft hatten. und immer wieder diese gedanken, daß man die arme frau hier rausholen müßte. daß sie einem leid tut. daß man sich für das publikum entschuldigen sollte. das blümchen-syndrom.

ja.

filme sind ja auch am spannendsten in den ersten minuten, solang man noch nicht weiß, worauf sie hinauslaufen. in den momenten, in denen sich herausstellt, was der film bezweckt, wie er "klingt", wie er sich anfühlt, ob er sympathisch ist. ob man mit ihm für zwei stunden einen kaffee trinken gehen und über die draußen vorbeilaufenden menschen reden möchte. ob man mit dem film klarkommt, ob man sich vorstellen kann, irgendwann mal seine familie kennenzulernen. die "blind date" -phase eben. sich gegenübersitzen und auf kompatibilität warten. um sich dann, meist nach 10-15 minuten, entweder fallenlassen zu können oder einfach nach hause zu gehen und die zeit sinnvoller zu nutzen. dieser moment, der click, der impuls, der einem mitteilt, wie man sich versteht - atemberaubend. bei "lost in translation" wußte ich nach zehn minuten, daß ich ihn gut leiden kann, nach weiteren fünf minuten war ich verliebt. großartig. jede sekunde des films und in jeder sekunde charlotte und bob verstanden.

"wer zuviel zeit hat, über sich selbst nachzudenken, kann kein glücklicher mensch werden", sagte mir eine freundin kürzlich. stimmt nicht. selbstbeobachtungsmelancholie macht mich glücklich(er). lieber denke ich darüber nach, wieso es mir scheiße geht, als überhaupt nichts zu fühlen.

"do i need to worry about you, bob?" - "only if you want to."