heldenplatz // (kirlian camera & siderartica, 20050624, berga)

(daß einen "das leben" vom bloggen abhält, ist ja bekanntermaßen quatsch. wenn, dann eher schlechtes zeitmanagement. oder die tatsache, daß das leben nicht der eigenen erwartungshaltung entspricht. oder daß fast nur noch dinge passieren, über die man nichts schreiben kann, will, sollte.)

samstag früh nach einem der besten konzerte der letzten jahre quer durch thüringen nach hause gefahren. die fünf zugaben noch im hinterkopf, die bezaubernde sängerin vor dem geistigen auge, die beim merchandising gekaufte cd (zu hause schon im regal befindlich, aber eben nicht dabeigehabt, und zu guten momenten gehört nunmal ein guter soundtrack) im player, das großartige (u.a. auch weil unerwartete) konzert im bauch, die durchgeschwitzten klamotten am körper. nebelschwaden zum sich nähernden sonnenaufgang, die fenster unten, das gefühl unbezahlbar. quasi-religious experience, wenn man - nicht verkehrsbehindernd, weil auf der b175 sowieso sonst keiner unterwegs ist - freiwillig nur in gemäßigtem tempo durch die waldstückchen kurz vor dem arsch der welt fährt und dabei fields of sunset, k-pax oder dead zone in the sky hört, den nebel genießt, und gar nicht mehr anders kann als ganz leicht zu lächeln, weil es einer dieser momente ist, in denen alles paßt. so wie es gerade ist. und man sich überhaupt nicht dazu zwingen muß, den kopf frei zu bekommen, sondern der ganze mist, der sich da sonst so rumtreibt, sich freiwillig zurückhält und platz macht für's nachhauseschweben. um halb fünf dann am teufelstal vorbeikommen (mitropa is the new tank & rast) und anstatt der geplanten flasche wasser zum mitnehmen dann doch vollkommen unüberlegt (und dadurch perfekt) die drei rühreier mit schinken, tomaten und zwiebeln sowie einen großen pott kaffee bestellen - sich nach draußen auf die terrasse setzen und lächelnd den tag begrüßen. flirten mit dem sonnenaufgang, dabei immer noch kirlian-camera-songs summend und an "punk cola", italien, regen, noch mehr italien, das weiße hemd mit der schwarzen krawatte, kniehohe stiefel und "hotpants" und vor allem an das gänsehauterzeugend ehrlich aussehende lächeln (nicht "von der bühne herunter", sondern "ins publikum hinein", eher noch "zu jedem einzelnen im publikum") denken. und an italien. nahe dem hermsdorfer kreuz morgens um kurz vor fünf mit hochgelegten beinen, anklebendem hemd (selten waren hochgekrempelte ärmel so angebracht), leckerem rührei und einer ganz eigenartigen inneren zufriedenheit verbringen, von der ich schon fast nicht mehr wußte, daß sie existiert. man sollte täglich in ehrfurcht niederknien vor dem, was musik manchmal auszulösen in der lage ist.

(solche einträge dann nicht in absätze unterteilen wollen, weil es sich einfach nicht gut anfühlen würde.)

nächste woche kündige ich meine wohnung. und es fühlt sich toll an.

[update: konzertbilder.]
[nochmal update: mehr konzertbilder.]

die kleinen momente der musikgeschichte

diese paar sekunden anfang des songs, in denen ich mir nie ganz sicher bin, ob das jetzt survivors "eye of the tiger" oder scissor sisters' "comfortably numb" werden wird, und in denen ich dann versuche, ebendas aus dem situativen kontext (filmgenre bei soundtracks, discounter-typ bei einkaufsradio, bartform des djs in clubs, ..) abzuleiten - die hasse ich. wirklich.

überkompensation

beim warten im postamt die schalterbeamtinnen miteinander über einen noch auf's paket zu klebenden fraggle-aufkleber reden gehört. nicht herausgefunden, ob mein gehör nur gerade gut drauf war oder ob sie "fragile"-klebebänder dort wirklich so nennen. auf der zielgeraden bei der paketaufgabe 

.. auch so ein wunderbarer begriff eigentlich. plan für nächstes mal: weißes taschentuch mitnehmen, um dem paket zum abschied nachzuwinken, während die träne rausgedrückt wird ..

den perplexifiziert-irritierten gesichtsausdruck in letzter sekunde gerade noch mit einem gequälten lächeln tarnen können, dem drang nach nachfragen/korrigieren/haarspalten nicht nachgegeben. gefühlt wie ein erbärmlicher quizshowkandidat, der unwissen mit höflichkeit zu tarnen versucht ("damit die anderen auch noch drankommen"), magenverstimmt nach hause gelaufen. pathetic.

wir

wir sind uns einig darin,
daß wir nicht hierhin gehören und nicht dorthin
wir haben den schmerz überwunden
doch sag niemals, wir hätten uns abgefunden
in der bemühung, wach zu bleiben
vermissen wir die wut an unseren freunden
und finden sie wieder in der verachtung
unserer eigenen oberflächlichkeit
wir hatten längst beschlossen,
es auf sich beruhen zu lassen
und wenn wir nochmal darin wühlen,
dann weil wir uns fühlen,
als ob der zweifel
unser weg ins leben war und ist
so klingen unsere lieder,
als wären wir alte grübler
doch das ist nur zur hälfte wahr -
vergiß nicht : wir sind gute lügner
und in wahrheit strotzen unsere leben vor glück und sex
sex und glück - (…)

[ -- tom liwa, "wir" ]

tschilp

jeden morgen beim zuhören, wie das dorf aufwacht, die verschiedenen vogelstimmen erst nur im hintergrund, dann stärker wahrnehmen. dabei immer wieder an dieses interview, vor ca. einem jahr, von alexander kluge mit diesem ornithologen, dessen namen ich natürlich nicht mehr weiß, denken müssen, der über die forschungen im bereich der sprachentwicklung und kommunikation allgemein bei vögeln sprach. über zwitscher-dialekte, über geographische und "kulturelle" einfärbungen eines zwitscherns, über intonation und stimmlagen und bedeutungsunterschiede und sprachbarrieren. damals die ganze zeit gedacht, natürlich, wieso sollte es sowas auch nicht geben, erstaunlich eher, daß man vorher nie an so etwas dachte. und dann morgens um halb fünf am fenster stehen und zuhören. nicht auf die nerdige art, mit deutungsbuch und nachahmungstrillerpfeifchen, sondern einfach nur zuhören, als wäre es musik. ist es ja auch. und sich vorstellen, daß menschliches geplapper für die viecher auch "musik" sein könnte. und es immer weniger verstehen, wieso man grenzen zwischen geräusch, klang, ton und musik ziehen muß, ob dieser klassifizierungs- und distinktionszwang denn wirklich angebracht ist (keine antwort notwendig, vielen dank). e- und u-gezwitscher. (ornithologismen.)

[spiel, spaß und schokoladensirup]

im knien macht liegen übrigens mehr spaß. und genaugenommen ist knien wiederum angenehmer im liegen. wobei gerade das liegen ja im stehen auch seinen reiz hat. beispielsweise. und dabei hab' ich jetzt noch nicht mal über das sitzen nachgedacht.

gegnung (adj.)

letzten freitag stand boris groys vor mir an der kasse im zeitschriftendings am karlsruher hauptbahnhof. zwischen uns stand ein rentner, der es rentnertypisch eilig hatte und die vor ihm stehende prominenz als solche nicht erkannte (und selbst wenn, hätte es ihn wohl nicht gekümmert, was ja prinzipiell begrüßenswert ist (auch wenn ich dieses wort zuerst im-mer ohne r vor dem ü tippe, weswegen es initial eher nach regenschauer als nach positivismus klingt)), daraufhin groys' reisetasche beim bezahlen merk- und absicht-lich umstellte (- auch singles können halbkreise bilden) -,- was gleichzeitig zu einem ganz leicht seufzenden gesichtsausdruck (ja, das geht) bei groys, einem kassiererinnentypischen kichern gemischt mit unverständnis, kommentarbereitschaft und dialogopfersuche bei -ach?- der kassiererin, einem schwanken zwischen fanboieskem (gibt es eigentlich echte wörter mit der buchstabenfolge o-i-e im inneren?) "sind sie nicht der dings, den ich kürzlich bei kluge im interview, na sie wissen schon .." und relativierend-entschuldigendem mitfühls-lächeln (augenstellung in position "herrjeh, diese rentner!") bei mir und zu ehrlichstem unbeeindrucktsein beim vollständigen rest der bahnhofsinsassen und dem weiteren teil der welt in diesen zwei sekunden führte.
die situation hatte dann aber keine pointe.