sankt m.

im biomarkt (okay, selbst mitschuld) stehe ich in kassennähe und versuche die nährwertangaben auf einer tüte hipsterpopcorn zu entziffern (matt hellgold auf glanzweiß, schriftgröße gefühlt 4px), als mich das fremde kind anspricht. das fremde kind heißt martin, wie ich später von seiner mutter noch erfahren werden, und die formulierung "ansprechen" ist selbstverständlich ein euphemismus dafür, dass es plötzlichst in ca. 5cm entfernung neben meinem knie/oberschenkel anfängt mit feuchter aussprache zu brabbeln (bei erwachsenen würde man es lallen nennen), offenbar in meine richtung. ich bin generell nicht sonderlich kommunikativ in vergleichbaren situation, und extra-sehr nicht an einem frühen montagnachmittag im südlichen prenzlauer berg nach schlechtem schlaf im körper und zu viel corona-updates im kopf. ich ignoriere das kind also, woraufhin seine betreuerin - ein paar meter weiter vorn, genau an der kasse, während des ab- & einräumvorgangs der gekauften waren - laut "lass sein, martin, manche menschen sind eben einfach unfreundlich!" sagt. und damit offenbar mich meint, der ich gerade noch in einem makronährstoffverhältniskopfberechnenden modus hinaus und einen konfrontativbelustigten hinein schwinge. ich verzichte darauf, die lastenrad-muddi nach einer kausalen herleitung ihrer "argumentation" zu fragen, nach dem mehrwert an erziehung/sozialkunde für martin, nach dem grund für ihre lautstärke oder danach, wieso es denn wirklich die am allerschlimmsten aussehenden öko-joghurts sein mussten, mit denen sie mindestens martin oder eventuell auch noch ihre:n partner:in quälen wird, nein, ich verzichte nicht nur darauf sie danach zu fragen, ich zwinge sogar mich selbst dazu - in jenem moment - all das direkt zu bewerten wie ich’s jetzt im nachhinein zu hause tu’, als martin einen weiteren versuch startet mir ans knie zu spucken und dabei fragend den kopf in seinen nacken wirft um mich anzusehen, während ihm seine neongrüne stricksturmhaube ins gesicht rutscht. ich bleibe weiter stumm, gebe die popcornösen nährwertidentifikationsbemühungen auf, ziehe eine augenbraue hoch (die linke, logisch), und höre - diesmal noch lauter - martins muddi "komm, martin, wir gehen, der mann ist böse!" sagen, so dass es auch die käsetheke noch gut mitbekommt. an dieser stelle bilde ich mir ein, das augenrollen der kassiererin (props!) hören zu können, und bemerke gleichzeitig, dass dieses amüsant neurotische stück blonde aggression mit ihrem martinszug im schlepptau doch tatsächlich dafür gesorgt hat, dass nicht nur mein montag jetzt ganz okay lustig angelaufen ist, sondern ich auch noch eine nette kleine anekdote für ein paar likes schreiben kann ohne sie komplett erfinden zu müssen. danke, martin.

(ja: das mit dem lastenrad wurde erst später draußen zur gewissheit, und ich bilde mir nur ein, es vorher schon vermutet zu haben - aber man romantisiert sich sowas ja auch immer zurecht, fair enough.)